Life is what happens to you, while you’re making other plans.
Das hat John
Lennon schon richtig erkannt, allerdings passiert das nicht immer im positiven
Sinne…
Am
Ostersonntag sind in Colombo, Negombo und Batticola acht Bomben in Kirchen und
Hotels explodiert. Hierbei wurden mehr als 250 Menschen getötet.
Die
Bevölkerung Sri Lankas stand unter Schock, da niemand in diesem buddhistisch
dominierten Land mit islamistisch motivierten Terroranschlägen gerechnet hätte.
Alle verfolgen entsetzt die Nachrichten. Die Folgen für alle sind verheerend.
Die ersten
spürbaren Auswirkungen waren die menschenleeren Straßen und die gesperrten
sozialen Medien. Die Regierung hatte Ausgangssperren verhängt, um die
Bevölkerung vor möglichen weiteren Explosionen zu schützen. Die Verbreitung von
falschen Informationen und der Entstehung von Panik sollte durch die gesperrten
sozialen Medien verhindert werden.
Die Schulen
wurden für die nächsten Wochen gesperrt. Auch Thillinis Unterkunft bei ihrer
Universität wurde gesperrt, weshalb sie wieder bei ihren Eltern gewohnt hat. Vor
der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausdrücklich gewarnt. Burkas
wurden verboten. Touristen wurden von ihren Reiseunternehmen oder ihren
Herkunftsländern zurückgeholt oder brachen ihren Urlaub freiwillig ab. Dies
hatte besonders große Auswirkungen, da sehr viele Menschen finanziell vom
Tourismus in Sri Lanka abhängig sind. Nach und nach wurden immer mehr Läden und
Restaurants geschlossen, da die Kunden ausblieben. Die verbliebenen Händler
waren gezwungen die vereinzelten verbliebenen Touristen anzubetteln etwas zu
kaufen und verkauften ihre Ware dann weit unter ihrem Wert. Auch die Hotels
blieben leer. Die Tuk Tuk Fahrer in den Touristengebieten, aber auch alle anderen
Tuk Tuk Fahrer bekamen die Auswirkungen ebenfalls zu spüren und verbrachten
ihre Tage, oft ohne auch nur eine Fahrt zu machen.
Natürlich
habe ich auch direkt Anrufe und Nachrichten von Freunden und Familie in
Deutschland bekommen, die in Sorge waren, da auch in den deutschen Medien über
die Anschläge berichtet wurde. Was in den Nachrichten in Deutschland und denen
in Sri Lanka gezeigt wird unterscheidet sich jedoch sehr. In Sri Lanka wird
nichts von den Bildern gefiltert. Es werden Handyaufnahmen von den Momenten
direkt nach den Explosionen gezeigt, auf denen das komplette Ausmaß mehr als bewusstwird.
Auch politische Aspekte werden genauer beleuchtet. So zum Beispiel, dass die
geplanten Anschläge dem Präsidenten und anderen Parlamentariern bekannt waren,
sie jedoch keine Warnungen an die Bevölkerung abgegeben haben oder
Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben. Sie selbst haben jedoch aufgrund
dieser Warnungen das Land verlassen oder sind den Kirchen fern geblieben. Oder,
dass Bomben in einem Haus eines Politikers gebaut wurden, dieser nichts dagegen
unternommen hat und nach dem Bekanntwerden immer noch in seinem Amt ohne
Konsequenzen aktiv sein durfte.
Nach einigen
Tagen, die wir nur Zuhause verbracht haben, haben wir uns doch dazu
entschlossen, mit dem Tuk Tuk zum Strand zu fahren. Ein etwas mulmiges Gefühl
hat uns immer begleitet, wobei eigentlich kein Grund zur Sorge bestand. Die
Strände waren menschenleer, weshalb eigentlich kein Terrorist ein Interesse
daran gehabt hätte, erneut Bomben an diesen Orten zu zünden. Des Weiteren war
bis zu diesem Zeitpunkt in Galle nichts bekannt geworden, was mit den
Anschlägen in Verbindung stand.
Gleichzeitig
wurde der Druck von Zuhause jedoch größer. Alle Angehörigen waren in großer
Sorge. Auch meine Hochschule wollte und musste weiterhin für meine Sicherheit
garantieren, überließ mir jedoch die Entscheidung, wann dies nicht mehr der
Fall ist und ich das Land verlassen sollte.
Für mich hat
sich die gesamte Situation zugespitzt, als das Land zum ersten Mal in den Normalzustand
zurückversetzt werden sollte. Die Schulen sollten wieder mit dem Unterricht
beginnen, die Menschen sollten wieder zu ihrer Arbeit zurückkehren. Also sind
Dhammika, Saheli und ich, wie sonst auch immer mit dem Bus zur Schule gefahren.
Dieser war nun wieder voll mit Menschen, so auch die Straßen. Die gesamte Busfahrt über hatte ich jedoch
ein sehr beklemmendes Gefühl. Ich habe mir die Gesichter der Menschen angeguckt
und mir ausgemalt, wer nun eine Bombe oder sonst etwas dabeihaben könnte. Später
habe ich mit Dhammika darüber gesprochen und auch sie hatte dieses Gefühl. Wir
beide wollten nicht mehr mit dem Bus unterwegs sein.
Zusätzlich
habe ich am Abend erfahren, dass in Galle 1000 gefälschte Armyuniformen
gefunden worden sind. Bei Hausdurchsuchungen wurden außerdem Unmengen an
Schwertern, Messern und sonstigen Waffen gefunden. Auch in Moscheen und in
Verstecken in der Nähe von Kirchen wurden Waffen gefunden. Diese Informationen
und das beklemmende Gefühl am Morgen lösten bei mir Angst aus. Am nächsten Tag
machte ich mich direkt mit dem Tuk Tuk auf den Weg nach Colombo um meinen
Reisepass abzuholen. (Meine Tasche mit sämtlichen Dokumenten, darunter auch
mein Reisepass wurde zuvor gestohlen. Ich habe bei der Botschaft einen neuen
Pass beantragt, konnte jedoch aufgrund der Sicherheitslage diesen noch nicht in
Colombo abholen.) Nachdem ich diese Angst verspürt habe, wollte ich die
Möglichkeit haben zu gehen, wenn ich das möchte. Um diese Möglichkeit zu haben,
musste ich allerdings zuerst im Besitz eines Passes sein.
Nach diesem
Tag ging es mir erst einmal wieder etwas besser. Meine Familie war jedoch noch
mehr in Sorge, als zuvor. Des Weiteren wurden erneut Neuigkeiten verbreitet,
dass für die nächste Woche neue Anschläge geplant waren. Diese andauernden
neuen Informationen machten mir immer mehr Angst. Wo ich zunächst vielleicht
etwas naiv war und geglaubt habe die Situation beruhigt sich schnell wieder,
musste ich nach und nach realisieren, dass die Situation in nächster Zeit
angespannt bleiben wird und man nie weiß, was als nächstes passieren kann. Nun
war ich in der Situation abzuwägen, ob ich dieses Gefühl die nächsten vier
Monate weiter haben möchte.
Andererseits
hatte ich ein unglaublich schlechtes Gewissen. Ich fand es total ungerecht die
Möglichkeit im Vergleich zu den Einheimischen und meiner Gastfamilie zu haben,
jederzeit gehen zu können, wann ich das möchte. Des Weiteren war die Miete, die
ich an meine Gastfamilie bezahlte, eine große finanzielle Unterstützung, mit
der sie bis Mitte August gerechnet haben. Ich hatte ein schlechtes Gewissen
ihnen dies wieder zu nehmen. Auch die Schüler der Class of Hope rechneten mit
mir, sobald die Schule wieder losgehen sollte. Ich hatte Angst, für meine
Entscheidung in Sri Lanka und in Deutschland verurteilt zu werden und Menschen,
die mir sehr wichtig geworden sind zu enttäuschen. Andererseits quälte ich
Freunde und Familie Zuhause mit den Sorgen um mich. Egal welche Entscheidung
ich treffen würde, mein Plan für mein halbes Jahr in Sri Lanka wäre durch die
vielen Einschränkungen nicht aufgegangen. Doch ich musste eine Entscheidung
treffen und ich hatte riesig Angst diese am Ende zu bereuen.
Es war eine
wirklich unglaublich schwere Entscheidung, aber ich habe mich dazu entschlossen
nach Deutschland zurück zu kehren. Hier werde ich nun mein Praxissemester zu
Ende bringen.
Irgendwann,
wenn sich die Lage in Sri Lanka wieder normalisiert hat, werde ich auf jeden
Fall in dieses wunderschöne Land zurückkehren. Ich werde alle wunderschönen
Orte erkunden, die ich noch nicht gesehen habe. Und vor allem werde ich die
wundervollen Menschen, die mir trotz allem eine wunderschöne Zeit mit
unvergesslichen Erinnerungen beschert haben, besuchen.
Viraj, Tharu, Asher und ich im Zug auf dem Weg nach Ella
Tharu, Ich, Shivani, Asher, Saheli, Pavitra und Danush in
einem überfüllten Tuk Tuk auf dem Weg zum Spielplatz
Zum Abschluss noch einmal ein Bild von der meiner tollen
Gastfamilie. Ein großes Dankeschön für die schöne Zeit bei euch! Von links: Tharu, Premadasa, Dhammika, Thillini mit Asher,
Saheli und ich…Viraj fehlt leider…