Reisebericht (Teil 1)

Ich bin nun seit gestern gluecklich und gesund von meiner Wanderschaft zurueckgekehrt und moechte an dieser Stelle ein wenig von meinen Abenteuern berichten:

1.Kandy:


Nach beschwerlicher achtstuendiger Bahnfahrt in einem ueberfuellten Dritte-Klasse-Wagon erreichte ich am 10. November spaetabends die vormalige Koenigsstadt Kandy. Kandy ist Sinnbild Singhalesisch-Buddhistischer Kultur und Identitaet. Nicht nur hat die Stadt am laengsten gegen die europaeischen Eroberer standgehalten, sondern hier wird auch die bedeutendste Reliquie des Buddhismus, der Eckzahn des Erleuchteten, im namensgebenden Zahntempel aufbewahrt.

Aussicht auf den Tempelkomplex.
Zentrum der Stadt ist eindeutig der im 19. Jahrhundert angelegte Kiri-Muhuda-See, an dessen Ufern sich das oeffentliche Leben abspielt. Auf dem Weg zum Tempelkomplex spaziert man den Uferweg entlang, trifft unterwegs nervige Schlepper, drollige Aeffchen sowie Pelikane und bewundert die Spiegelung des schneeweissen Pagodenbaus im lindgruenen Wasser. Und das war fuer mich bereits das Highlight des Zahntempels: die Aussenansicht.

Ich vor dem Zahntempel.


Das Innere besuchte ich puenktlich um 9.30 Uhr, zur sog. Puja-Zeit, wenn eine religoese Zeremonie abgehalten wird, bezahlte brav die 1000 Rupien White-Skin-Tax fuer den Eintritt und engagierte einen unfaehigen Touristenfuehrer fuer weitere 500 Rupien. Der Tourismus mag gut fuers Geschaeft sein, aber er ist verheerend fuer die Atmossphaere. Denn drinnen herrscht eine Stimmung wie auf einem religioesen Jahrmarkt. Reisegruppe fuer Reisegruppe flutet den Tempel, dann wird alles penibel abphotographiert, bevor es im klimatisierten Bus wieder in Richtung Hotel geht. Vor allem zur Puja-Zeit, wenn die Trommeln geschlagen werden, tummeln sich im Allerheiligsten mehr Touristen als Glaeubige. Es wird geschubst und gedraengelt. Keine Zeit, diesen Ort auf sich wirken zu lassen oder seine immense Bedeutung fuer das nationale Selbstbewusstsein Sri Lankas zu erfassen. Noch bevor die Tour beendet war, entliess ich meinen Fuehrer und verliess genervt den Tempelkomplex. Ich lief ziellos eine schmale Strasse entlang und fand unverhofft ein stilles Refugium, den British-Garrison-Cemetery.


British-Garrison-Cemetery
Peradeniya
In dem sorgsam restaurierten Graeberfeld wurden britische Offiziere und Kolonialbeamte bestattet. Ohne eine Rupie dafuer zu bezahlen, wurde ich von Mr. Charles, dem betagten Friedhofsgaertner, herumgefuehrt. Er wusste zu beinahe jedem Grab eine originelle Geschichte zu erzaehlen und das nochdazu in erstaunlich gutem Englisch. Im Anschluss erkundete ich noch den Aussenbereich des Tempels, in dem sich ein paar interessante Museen und die Schreine der vier (eigentlich Hinduistischen) Gottheiten Natha, Vishnu, Pattini und Kataragama befinden. Weitere Hoehepunkte meines Aufenthalts waren die Besuche im ehrwuerdigen Udawattakele-Urwaldschutzgebiet, das einst den Koenigen von Kandy als Park vorbehalten war, und des wunderschoenen botanischen Gartens Peradeniya, der durch eine internationale Vielfalt an Baeumen und Pflanzen besticht.
 Auch bin ich mehr oder weniger zufaellig in eine der beruechtigten Kandy-Dance-Auffuehrungen geraten. Nur so viel: niemals in Sri Lanka habe ich derart viele Bleichgesichter auf einem Haufen gesehen und dementsprechend war die Qualitaet der Darbietung. Musikantenstadl auf Ceylonesisch. Ansonsten empfiehlt es sich, Kandy auch einmal als moderne sri-lankische Grossstadt zu erleben und in dem bunten Gewuehl aus Strassenhaendlern, Bettlern, Passanten und schrillen Verkaufsbuden unterzutauchen.


2. Dambulla:


Mein weiterer Weg fuehrte mich nach Dambulla, ein gesichtsloses kleines Staedtchen, das als Verkehrsknotenpunkt zwischen dem Hochland, dem kulturellen Dreieck und der Ostkueste fungiert.
Haesslicher Eingangsbuddha.
Abgesehen davon gibt es nur einen Grund Dambulla zu besuchen oder wenigstens zu passieren: die Hoehlentempel, die unterhalb eines imposanten Bergrueckens liegen. Den Eingang markiert am Fusse des Berges eine grotesk-riesenhafte Buddhastatue, goldfarben und kitschig wie eine Plastikimitation aus Las Vegas. Der eigentliche Aufgang befindet sich rechts daneben. Zuerst gilt es jedoch fuer saftige 1500 Rupien ein Ticket zu loesen. Anschliessend geht es ueber viele steinerne Stufen hinauf zum Heiligtum.



Gefraessiger Affe
Der Weg nach oben ist gesaeumt von Bettlern, Souvenierhaendlern und alten Muetterchen, die Blueten als Opfergaben fuer den Buddha feilbieten.
  Man begegnet russischen Touristinnen, die auf Pfennigabsaetzen die Stufen erklimmen und Ostasiaten, die ihre kuerzlich erworbenen Opferblumen an die Affen verfuettern und sich dabei koestlich amuesieren.
Der Tempel an sich, bestehend aus sechs in den Fels geschlagenen Grotten war erneut eine persoenliche Enttaeuschung. Zum einen aufgrund des ueblichen Massenaufgebots an Touristen, zum anderen aufgrund des Heiligtums an sich. Ich versuchte etwas spirituelle Atomssphaere zu atmen. Alleine, es gelang mir nicht, weil es nichts zu atmen gab. Die Hoehlen an sich stammen zwar aus einem vorchristlichen Jahrhundert, sie sind jedoch kurzlich -sprich vor ca. einem Jh.- renoviert und mit einer derart inflationaeren Menge an Buddhas vollgestopft worden, dass man sich bald in einem billigen
Souvenierladen waehnte.
Tempelanlage
 Buddhas an der Wand, Buddhas an der Decke, Buddhasstatuen auf der Erde, es war einfach zu viel des Buddhas. Enttschaedigt wurde ich wie zuvor in Kandy mit etwas Kostenlosem, naemlich mit einem grandiosen Ausblick. Als ich die Hoehlen wieder verliess und das kleine Hochplaetau erreichte, wo ich meine Schuhe zurueckgelassen hatte, brach gerade die Sonne durch und ein Stueck blauer Himmel wurde sichtbar.
 Unter mir erstreckte sich ein vergessener Kontinent, bis zum Horizont bedeckt mit dichtem Urwald und sumpfigen Reisfeldern, aus dem sich maechtige nebelverhangene Bergmassive erhoben. Das Farbenspiel des fruehen Abendhimmels bot einen malerischen Hintergrund, sodass ich trotzdem zufrieden in meine Herberge zurueckkehrte.








3. Sigiriya:


Noch am selben Abend tat ich mich mit einem wortkargen Ukrainer zusammen, um mir mit ihm einen Three-Wheeler zur Felsenfestung Sigiryia zu teilen. Wir brachen frueh am morgen auf und erreichten nach etwa fuenfundvierzig Minuten Fahrt unseren Zielort. Schon von weitem sieht man den gewaltigen, ueber 200 Meter hohen Granitmonolithen aus der flachen Landschaft ragen.

Sigiriya
Wolkenmaedchen.
Dort oben errichtete der Usurpator Kassapa im 5. nach-christlichen Jahrhundert seinen Herrschaftssitz. Dem Bau ging ein Familiendrama voraus, in dessen Verlauf Kassapa, der Sohn des Koenigs Dhatusena und seiner Maetresse, erfolgreich putschte und seinen Vater ermorden liess. Sein Halbbruder Moggallana, der legitime Thronfolger, floh daraufhin nach Indien, um Verbuendete gegen den Bastardkoenig um sich zu scharen.




Etwa zwanzig Jahre waehrte Kassapas Tyrannei, bevor ihm Moggallana schliesslich den Garaus machte. Immerhin hinterliess er ein spaeteres Weltkulturerbe und eine sehr lukrative Einnahmequelle. Fuer jeden auslaendischen Besucher werden 30 US-Dollar pro Einzelticket kassiert. Natuerlich musste ich am Schalter erfahren, dass das insgesamt guenstigere Rundticket des Central-Cultural-Found kuerzlich gestrichen wurde. Aber das sollte meine Laune nicht weiter trueben, denn sowohl der Anblick der Sigirya, als auch der Ausblick von ihrem Gipfel sind den Eintrittspreis allemal wert.

Aussicht von oben
Loewentor.

 Auch geraet man ins Staunen ueber die baulichen Leistungen dieser fruehen Zivilisation. Zunaechst betritt man die kunstvoll angelegten Lustgaerten, die dem Felsen vorgelagert sind. Ueber ein raffiniertes Leitungssystem wurden die steinernen Wasserbecken mit frischem Nass versorgt. Dann geht es ueber die ersten Treppenstufen hinauf in den Felsengarten, der mit massiven Findlingen gespickt ist und einen scharfen Kontrast zur Symmetrie der Wassergaerten bildet. Einen grossen Teil des Charmes dieser Ruinen macht tatsaechlich die ueppige Vegetation aus. Als waere die gesamte Anlage ueber die Jahrtausende voellig unberruehrt geblieben. Bald wurde es schweisstreibend und meine Raucherlunge flehte lautstark um Gnade, als ich die steilen Treppen nahm, die direkt am Fels entlang fuehren. Meine leichte Hoehenangst machte mich ein bisschen wacklig auf den Beinen, obwohl der Weg durch einen Gitterkaefig gesichert ist. Auf halber Hoehe wurde ich mit dem Anblick von barbusigen Grazien belohnt, die dort seit 1500 Jahren einen immerwaehrenden Striptease hinlegen. Die Rede ist natuerlich von den Fresken der beruehmten Wolkenmaedchen. Tatsaechlich strahlen diese antiken Malereien eine groessere Sinnlichkeit aus als die meisten selbsternannten Schoenheiten des 21. Jahrhhunderts mit ihrem Plastikgrinsen.

Ansicht von unten.



Wie dem auch sei, schweissueberstroemt steht man schliesslich auf einem kleinen Plateu und vor einem weiteren Aufgang, der von zwei steinernen Tatzen flankiert ist, dem Loewentor. Etwas abseits dahinter entdeckte ich drei meditierende Ostasiaten, die sich dort ihr kleines Refugium geschaffen hatten. Hier wird man nun ein letztes Mal gefordert, die Stufen zum Koenigspalast zu erklimmen, um dann einen majestaetischen Blick zu geniessen. Aufgetuermte Wolkenformationen, darunter Berge am Horizont und davor dichtes Gruen und Reisfelder soweit das Auge reicht. Da vernachlaessigt man glatt die Grundmauern von Kassapas alter Residenz, deren vergangene Pracht sich aber leicht erahnen laesst. Auf dem Gipfel eines zweihundert Meter hohen Monolithen muss selbst eine Wellblechbaracke noch etwas Herrschaftliches haben.    


4. Anuradhapura:

 
Zurueck von der Sigiriya, nahm ich eine schnelle Mahlzeit in meinem Guesthouse ein und brach
dann auch sofort auf, um den Bus nach Anuradhapura zu erwischen. Ich stieg im Busbahnhof der
New-Town ab, wo sich Geschaefte, Restaurants und Herbergen konzentrieren. In der Altstadt, auch Sacred City genannt und Wahrzeichen von Anuradhapura, befinden sich die bekannten Ruinenstaetten, die sich aus den drei grossen Klosterkomplexen Maha Vihara, Abhayagiri Vihara und Jetavana Vihara zusammensetzen.

Jaya Sri Maha Bodhi
 Auch steht hier der Jaya Sri Maha Bodhi, der aelteste und heiligste Baum der Insel, der angeblich ein Ableger des original Bodhibaumessein soll, unter dem Buddha seine Erleuchtung erlangte. Tatsaechlich hat die Sacred-City die Ausmasse einer Kleinstadt, weshalb sie sich am einfachsten mit dem Fahrrad erkunden laesst, ich sage bewusst nicht: am bequemsten. Denn die Fahrraeder, die man sich hier fuer ca. 300 Rs. am Tag von den Guesthouses mieten kann, haben weder Licht, noch Gangschaltung, noch Luft in den Reifen.
 Als 1,90 Meter grosser Europaeer muss man sich beim Fahren halb durchbiegen und die Saettel sind derart hart und unbequem, dass man allein durch ihren Anblick Geschwuere am Hintern bekommt. Hinzu kommt, dass man als Radler das schwaechste Glied in einer Strassenverkehrskette ist, die nur das Recht des Ueberholenden kennt. Ich beschraenkte mich an diesem ersten Tag also darauf, einige Uebungsrunden zu drehen und den Abend im Guesthouse zu verbringen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich ein sympathisches Paerchen aus Holland kennen. Wir leerten zusammen ein Flaeschchen Arrak, eine aus Kokosnuss destillierte Spirituose, und beschlossen spontan, unsere Reise gemeinsam fortsetzen.

Ruvanveli-Dagaba
 Die naechsten beiden Tage entdeckten wir die Sacred-City per Drahtesel. Insbesondere vom ehrwuerdigen Bodhi-Baum geht eine besondere Aura aus. Mehr als einmal wurde er das Ziel von Anschlaegen hinduistischer Fanatiker. Erst 1985 stuermte ein Killer-Kommando der Liberation Tigers of Tamil Ealam die Anlage und massakrierte wahllos dutzende Zivilisten. Zierlicher als erwartet und von einem Metallgeruest gestuezt ruht der Sri Maha Bodhi auf der hoechsten von drei Terrassen. Glaeubige in weissen Gewaendern sitzen in Meditation versunken zu seinen Wurzeln oder bringen auf Altaeren allerlei Opfergaben dar. Nebenbei ertoenen aus einem Lautsprecher buddhistische Gesaenge. Es lohnt sich, sich fuer ein paar Minuten niederzusetzen und die Stimmung dieses sakralen Ortes in sich aufzusaugen. Ueberhaupt laedt dieser Garten aus Monumenten zum Verweilen ein.

Die Ruinen sind eingebettet in eine Landschaft aus sattem Gruen, Kraniche mit weissem Gefieder und langen gelben Schnaebeln durchstreifen das sumpfige Grasland, aus dem imposante knorrige Baeume hervorragen. In ihren Wipfeln verbirgt sich eine Vielfalt an Voegeln, die ihre seltsamen Rufe erklingen lassen. Ab und zu sieht man Schlangen durch das Unterholz kriechen. Ich genoss die Stille und Verlassenheit dieser Ruinen. Besonders in Erinnerung bleiben einem natuerlich die massiven kuppelfoermigen Stupas, die nicht umsonst die Phantasie der Ufologen befluegelten. Am meisten imponiert hat mir jedoch die als Samadhi-Buddha bekannte Statue im Abhayagiri Vihara. Schlicht und schnoerkellos kommt sie daher, ohne Schmuck, Farbe oder aufwendiges Dekor. Auch benoetigt sie nicht die Ausmasse eines Scheunentores, um den Blick des Besuchers zu fesseln. Diese puristische Abbildung zeigt den Erleucheteten in Meditationshaltung und ist fuer mich persoenlich der schoenste Buddha Sri Lankas.

Samadhi-Buddha
Vor der Abhayagiri Dagaba durften wir ausserdem Zeuge eines bizarren Rituals werden. Zu beiden Seiten des Eingangs zur Stupa befindet sich ein Devale, ein Schrein fuer die Hindugottheiten, die ganz selbstverstaendlich neben Lord Buddha als Schutzgottheiten verehrt werden. Bei den Singhalesen sehr populaer ist Kataragama, der auch als Patron Sri Lankas gilt. Dort also wurde eine ganz altmodische Teufelsaustreibung durchgefuehrt. Ein junges Maedchen drehte wie verrueckt ihren Kopf mit den langen schwarzen Haaren um die eigene Achse, waehrend der Exorzist Beschwoerungsformeln sprach und ueber ihrem kreisenden Haupt Zitronen in zwei schnitt. Einmal fiel das Maedchen bewusstlos zu Boden. Dann hob es der Exorzist auf und versetzte es wieder in Drehung bis das Ritual beendet war. Ein Anwesender erklaerte mir in gebrochenem Englisch, der ganze Zauber wuerde dazu dienen, die Seele eines kuerzlich Verstorbenen aus dem Hirn des Maedchens zu jagen. Ob das gelungen ist, sei dahingestellt, aber offenbar hat sie keine bleibenden Schaeden erlitten.
Exorzismus
 Ein weiteres grossartiges Erlebnis war die spezielle Einladung zum Dinner, ausgesprochen von unserem Touristenfuehrer, der uns zuvor aeusserst sachkundig durch die Ruinen gefuehrt hatte.
Er war ein auffallend kleiner und dunkler Mann von mittlerem Alter, der auf Martial-Arts stand und seine Cousine geheiratet hatte. Die Hollaender und ich trudelten mit High-Class-Arrak und Zigaretten als Gastgeschenk in seinem Haus ein und wurden mehr als zuvorkommend bewirtet. Reis mit verschiedensten Curries wurde serviert. Wir speisten zu dritt an der Tafel, waehrend seine ganze Familie plus sein Schwager, der zugleich sein Cousin war, und dessen ganze Sippe um uns herumstanden, uns beim Essen zusahen und immer grosszuegig nachschaufelten, bis wir zu platzen drohten. Ein unterhaltsamer Abend, der noch unterhaltsamer wurde als der Arrak zu fliessen begann.

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